WatchShot#63: Wie die Süddeutsche die Zivilcourage der politischen Korrektheit opfert
19. August 2013 von Jaspis
Ja, ich habe schon begriffen, dass der gemeine SZ-Leser davor bewahrt werden muss, seinen xenophoben Ressentiments freien Lauf zu lassen. Offensichtlich wimmelt es unter den anspruchsvollen Lesern unseres Leib- und Magenblattes nur so von ausländerfeindlichen Zeitgenossen, die sofort Amok laufen und alle türkischstämmigen jungen Männer niederknüppeln, wenn sie erfahren, dass es unter ihnen Straftäter geben könnte. Nur so lässt es sich erklären, dass die SZ lieber die Polizeiarbeit behindert und lieber in Kauf nimmt, dass sich keiner mehr traut, Zivilcourage zu zeigen, als durch wenigstens halbwegs weiterführende Täterbeschreibungen die Ergreifung rücksichtsloser Schläger zu ermöglichen.
Reichlich knapp fiel die Meldung von sueddeutsche.de zum gestrigen Vorfall in der Fürther U-Bahn aus:[1]
Viel mehr erfährt man auch im gut vier Mal so langen Text nicht. Die Täter sind noch nicht gefunden, geschweige denn gefasst.
Nach Beschreibungen von Zeugen handelt es sich bei den Tätern um Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren.
Und mit dieser Täterbeschreibung wird das auch ganz sicher nicht geschehen.
Deutlich aufschlussreicher ist der Zeugenaufruf des Polizeipräsidiums Mittelfranken [2] und zwar nicht nur was die Tat betrifft:
Der junge Mann war von Nürnberg aus in der U-Bahn in Richtung Fürth unterwegs. Irgendwann gegen 18:00 Uhr stiegen zwischen den Haltestellen Nürnberg-Gostenhof und Stadtgrenze vier junge Männer ein. Sie begannen sofort, drei bereits in der U-Bahn fahrende Mädchen zu belästigen. Dabei berührten sie sie teilweise unsittlich und beleidigten sie in unflätigster Weise.
Der 26-Jährige ging dazwischen, um die Mädchen vor weiteren Angriffen verbaler und körperlicher Art zu beschützen. Sofort wurde er Ziel der Angriffe, wurde geschubst, bedroht und beleidigt.
Als der junge Mann am Fürther Hauptbahnhof ausstieg, versperrte ihm einer aus der vierköpfigen Gruppe zunächst den Ausstieg. Als er letztlich die U-Bahn verlassen konnte, schlugen ihn mehrere Unbekannte plötzlich zusammen. Zahlreiche Schläge und Tritte gegen den Kopf sollen nach Angaben von bisher bekannten Zeugen den Geschädigten getroffen haben. Nun griffen Passanten ein und halfen dem mittlerweile am Boden liegenden Verletzten. Er verließ zusammen mit den Mädchen den U-Bahnverteiler und ging zu seinem Fahrrad. Als er am Brunnen vor dem Hauptbahnhof war, traf er erneut auf die noch unbekannte Jugendgruppe. Sie hatte offenbar auf ihn gewartet.
Nach kurzer verbaler Auseinandersetzung schlug ihn das Quartett erneut zusammen und trat zudem auf den am Boden Liegenden ein. Dabei traten sie ihn mit Tritten gegen den Kopf bewusstlos. Als der 26-Jährige wieder zu sich kam, waren die Täter verschwunden.
Der Mann wurde nach polizeilicher Erstbefragung und notärztlicher Erstversorgung mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus gefahren.
Sondern auch hinsichtlich der Täterbeschreibung:
Von den Tätern liegt nachfolgende Beschreibung vor. Der Einfachheit halber werden sie wie folgt bezeichnet:
1. Der “Bartträger” ist ca. 19 Jahre alt, ca. 170 cm groß und möglicherweise türkischer Abstammung. Er trug ein weißes T-Shirt, eine blaue Jeanshose und sog. “Sneakerschuhe”. Er hatte einen Kinnbart und Koteletten.
2. Der “Mollige” ist ca. 16 Jahre alt und auffallend dick. Möglicherweise ist auch er türkischer Abstammung.
3. Der “Kleine” ist ca. 16 Jahre alt. Er trug in jedem Ohr einen glänzenden Ring und hatte hochgegelte schwarze Haare. Auch er ist möglicherweise Türke.
4. Der “Jeansjackenträger” ist ca. 16 - 18 Jahre alt und hat eine schmächtige Statur. Er hatte schwarzes Haar. Mehr ist von diesem Täter nicht bekannt.
Nur so macht der Zeugenaufruf Sinn:
Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben, werden gebeten, sich mit der PI Fürth unter der Telefonnummer 09 11 75 90 50 in Verbindung zu setzen. Die Polizei sucht insbesondere einen Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, der nach Angaben des Geschädigten sowohl die Vorfälle im U-Bahnhof als auch am Brunnen vor dem Hauptbahnhof beobachtet haben soll.
Es sollte doch im Interesse auch einer Süddeutschen Zeitung liegen, dass Zivilcourage nicht im Krankenhaus oder auf dem Friedhof endet, und dass man unbehelligt U-Bahn fahren kann, ohne angemacht, begrapscht, beleidigt oder zusammengeschlagen zu werden. Die “Täterbeschreibung” von sueddeutsche.de grenzt da schon an Behinderung der Polizeiarbeit. Politische Korrektheit hat auch ihre Grenzen. Ich verstehe, dass es ein berechtigtes Interesse aller U-Bahn-Fahrer gibt, unbehelligt von tumben Ressentiments und Übergriffen zu bleiben. Aber zu diesen U-Bahn-Fahrern gehören auch Mädchen und junge Frauen jeglicher (!) Herkunft - und Couragierte, die ihnen helfen.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/bayern/fuerth-schlaegerbande-pruegelt-mann-krankenhausreif-1.1749727
[2] http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/6013/2538109/pol-mfr-1479-nach-couragiertem-einschreiten-massiv-zusammengeschlagen-zeugenaufruf