Mit “Eine verrückte Demokratie” [1] versucht Heribert Prantl dem Leser nach einer haarsträubenden Einleitung, in der er, schon fast richtungweisend, erklärt, dass Italien durch die “sexuelle Affäritis” seines “alternden Regierungschefs” “entdemokratisiert” werde, - wieder einmal - nahezubringen, dass die Demokratie in Deutschland am Schwinden ist, oder, wie er es formuliert,
an Entleerungsgefahr
leide. Das mag seine Meinung sein, die soll er haben. Aber - ebenso - wieder einmal hält er es nicht für nötig, zu begründen, was ihn - konkret - zu dieser Ansicht treibt. Er begnügt sich, schon beinahe peinlich, damit, die Parlamentarier schlicht als “Deppen” zu bezeichnen, die die herrschende “Kaste” so im Griff hat, dass alles stillschweigend abgesegnet wird, was von ihr kommt.
So erklärt sich H. Prantl die Zustimmung zu Anti-Terror-Gesetzen, zu den EU-Gesetzen und Verträgen und den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Möglichkeit, dass die Parlamentarier dem vielleicht aus dem einen Grund zustimmen, weil sie das so für richtig halten oder auch keine bessere Alternative haben für Aufgaben, die aber dringend zu lösen sind, klammert Prantl offensichtlich vollständig aus. Ebenso den Widerspruch, den er gleich selbst liefert, wenn er darauf hinweist, dass sich die Parlamentarier ihre Zustimmungsrechte erstreiten mussten - aber auch erstritten haben. Was sie ja nicht nötig gehabt hätten, wenn sie vollständig in der Hand der Regierung wären.
Dass bereits eine Regierung Schmidt in einer fatalen Zwickmühle steckte, als es galt, den heute so gerne verharmlosten Terror der RAF zu bekämpfen, dass eine Regierung Merkel mit einer Finanzkrise in einem Ausmaß zu kämpfen hat, die die kühnsten Finanzexperten ins Schlingern bringt, dass auch ein Bundeskanzler Schröder irgendwann einmal “basta” sagen musste, damit seine Regierung nicht Gefahr läuft, die ganzen vier Jahre außer “sehr mühseligem Aufdröseln”, langem “Zupfen und Ziehen” nichts weiter zu Wege gebracht zu haben, das alles hat mit
einer Sehnsucht nach dem starken Mann oder der starken Frau
weniger zu tun als schlicht mit purem Pragmatismus. Man kann seine Aufgaben auch zu Tode diskutieren. Mit Demokratie hat die daraus resultierende Handlungsunfähigkeit allerdings auch nicht mehr viel zu tun. Es gibt kein Patentrezept für drängende oder auch nicht drängende Fragen. Dass die Bundesregierung nebst Parlament einen Weg gewählt hat, der einem Herrn Prantl missfällt, der aber dennoch von einem Großteil der Bevölkerung so akzeptiert wird, mag Herrn Prantl nicht erfreuen. Das zu akzeptieren wäre aber die Aufgabe eines Demokraten, möchte man meinen - sofern, und hier ist der Punkt erreicht, an dem der Spaß aufhört, sofern die Regierung sich nicht tatsächlich demokratiefeindlich, verfassungswidrig verhält. H. Prantl ist zwar stets bemüht, gerade das zu unterstellen. Doch hangelt er sich dabei von einer Fehleinschätzung zur nächsten (z.B. [2]) oder beschränkt sich gleich ganz auf blanke Phrasen wie
Die Selbstherrlichkeit der Exekutive, also der Regierung, nimmt zu. Der Einfluss des Parlaments, des zentralen Orts der Demokratie, nimmt in unglaublicher Weise ab.
Ach so. Damit ist anscheinend alles gesagt. Wie es nun aber diese “Elite” schafft, ein ganzes Parlament zumindest mehrheitlich zur Zustimmung zu Dingen zu bewegen, die es überhaupt nicht will, sagt er nicht. Wie schafft sie das? Werden die Parlamentarier hypnotisiert? Gezwungen? Gibt es Stellungnahmen einzelner Parlamentarier, die sich dazu geäußert haben? Wäre es nicht vielleicht angezeigt, sich dazu zu äußern? Oder hat das ein Heribert Prantl nicht nötig, weil es für ihn genügt, die, die seine Meinung nicht teilen, schlicht als demokratiezerstörende “Deppen” zu bezeichnen?
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/politik/75/476586/text/
[2] http://www.suedwatch.de/blog/?p=791