Geschriebenes und gesprochenes Recht im Rechtsstaat war früher. Jetzt zählt gefühltes Recht, by SZ.
4. August 2013 von moritatensaenger
Wir hatten es zuletzt beim Fall George Zimmerman (siehe suedwatch.de Berichterstattung Teil 1 und Teil2), der als Angeklagter von einem Geschworenengericht in den USA in allen Anklagepunkten - also vollständig - als unschuldig erkannt und demzufolge freigesprochen wurde, der aber zumindest für Nicolas Richter, angeblich Fachmann für “Völkerrecht, internationales Strafrecht und Terrorbekämpfung” bei der Süddeutschen, deswegen trotzdem Schuldiger ist.
Gefühlt zwar nur und nicht mit geltendem Recht begründbar, aber was zählt das schon für unser Blatt. Und ähnlich positioniert sich die SZ schon seit geraumer Zeit im Fall einer Münchnerin, der in einem Münchner Polizeirevier angeblich (es bestanden mutmaßlich bereits Vorverletzungen) schwere Gesichtsverletzungen durch einen Beamten beigebracht wurden. Aus Notwehr, wie der Beamte sagt, unverhältnissmäßig und sowieso mutwillig, wie die junge Frau einzuwenden scheint. Der Fall ist bei der SZ unter dem Suchbegriff “Teresa” zu finden. Jedenfalls steht für die Journalisten der Süddeutschen schon seit geraumer Zeit nicht nur das - unschuldige - Opfer fest, selbstverständlich jene “Teresa”, sondern auch der Täter. Der Schuldige. Natürlich: Der Polizist. Am kommenden Dienstag findet dazu die erste Verhandlung vor dem Amtsgericht München statt und der Moritatensaenger wird das interessehalber versuchen vor Ort zu verfolgen.
Wie auch immer: auch hier wurden nun weitere “Indizien” ausgegraben, die den Polizisten belasten. Angeblich. Denn 2010 wurde schon einmal gegen den Beamten wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) ermittelt. Die SZ “berichtet” auf ihre eigene Art und Weise über diese Sache…
Wer den Artikel liest wird feststellen, dass die Ermittlungen dazu eingestellt wurden. Und zwar - auch wenn das nicht explizit erwähnt wird - nach §170 StPO. Das bedeutet, es gab keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beamten. Er hat - mit anderen Worten - keine Schuld auf sich geladen. Theoretisch. Praktisch lautet das bei der SZ so:
“Rein rechtlich ist diese Formulierung korrekt.” (bezogen auf: “Der prügelnde [seriöses Journalistendeutsch; Anm. Moritatensaenger] Beamte hingegen, so versicherten die Behörden unisono, habe sich bis dato strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen.”)
Also: Wer sich “rein rechtlich” nichts zuschulden kommen ließ, ist damit noch lange nicht unschuldig. Gefühlt. Und für die Süddeutsche Zeitung, für die Recht ist, was ihr recht ist. Angesichts dieses Rechtsverständnisses bin ich ausnahmsweise einmal froh, dass die Schreiber unseres Blattes das geworden sind, was sie “Journalist” nennen. Und nicht Richter, Staatsanwalt oder Politiker.
Natürlich wird sich suedwatch.de demnächst intensiver mit dem Fall “Teresa” und der Berichterstattung der Süddeutschen dazu auseinandersetzen. Lassen Sie mich Ihnen aber abschließend schon einmal ein kleines Zuckerl überreichen, damit Sie uns in dieser Geschichte bei der Stange bleiben. Folgendes:
Wenn jemand sagt…
“Sie müssen das aus der Sicht des Kollegen sehen, der das selbst sogar alles dokumentiert hat. Der ist vorher getreten und bespuckt worden, sie hat versucht, ihm einen Kopfstoß zu versetzen. Sie war nicht zu beruhigen, war im Drogenrausch. Schon auf der Fahrt in die Inspektion ist sie ausgeflippt, hat auf den Kollegen eingeschlagen. Nach dem Vorfall in der Zelle hat sie sich in den Rettungswagen gesetzt, wieder ihre Faxen gemacht und die Zunge rausgestreckt. Dieses Gravierende an dem Vorfall war aus Sicht des Beamten zunächst gar nicht vorhanden. Der Faustschlag war für ihn die konsequente Vorgehensweise, um das zu beenden.” [1] (Hervorhebung Moritatensaenger)
…gibt er dann die Sichtweise des anderen wieder oder entspricht es seiner eigenen Sichtweise, das jener Faustschlag eine konsequente Vorgehensweise gewesen wäre? Nun, gesagt hat das der damalige Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, der in einem Anfall von Leutseligkeit der Münchner tz ein Interview gegeben hat, irrtümlich wohl vermutend, dass er damit zu einer fairen Berichterstattung beitragen könnte. Und was die Süddeutsche, vertreten durch Susi Wimmer, aus Schmidbauers Wiedergabe der Sichtweise des betroffenen Beamten gemacht hat, liest sich so:
Das nenn ich konsequent. Konsequent gegen den Pressekodex:
“Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden”
Mit tönendem Gruß
Ihr Peter Zangerl alias Moritatensaenger