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Juristisches UnverSZtändnis zeichnet sich fort

15. April 2013 von Jaspis

Schlappe für das Oberlandesgericht München

“Das Gericht hat ein ganz klares Signal gesetzt.”

Das OLG habe “fehlerhaft” gehandelt.

Nothelfer gegen die richterliche Sturheit

Dickschädeligkeit der Münchner Richter

Die Halsstarrigkeit, mit der sich das OLG jeder noch so greifbaren pragmatischen Lösung verweigerte

Der NSU-Prozess beginnt mit einem Geständnis (…) des Gerichts, bei der Vorbereitung der Verhandlung schwere Fehler gemacht zu haben.

Diese Sensibilität hat der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats am Oberlandesgericht München nicht gehabt

Das Gericht nimmt sich eine sinnvolle Auszeit.

Fast drei Wochen Auszeit, Denkzeit, Vorbereitungs- und Besinnungszeit

Wenn man das alles liest, bekommt man fast den Eindruck, als hätte das Bundesverfassungsgericht dem Oberlandesgericht München die Löffel lang gezogen, weil es sich weigerte, seine richterliche Unabhängigkeit zugunsten einer populistischen Meute wegzuwerfen und nicht nur Recht und Gesetz, sondern auch die Gewaltenteilung schlechthin den wahlkämpfenden Politikern und der geifernernden Journaille zu opfern. So gemaßregelt brauche das OLG jetzt eine Auszeit, um zur Besinnung zu kommen.

Was für ein hanebüchener Schwachsinn, den die süddeutschen Schreiberlinge lala/sks [1], Wolfgang Janisch [2] und Heribert Prantl [3] ihren Lesern da unterjubeln. Was umso peinlicher ist, als sich wenigstens zwei der Autoren in ihrer Vita mit einem Jurastudium schmücken. Sie könnten es also wissen.

Doch statt dessen werden da Fachbegriffe wild durcheinander geworfen, aus der Aufgabe wird eine Anordnung, die Beschwerdeführer werden zu Klägern und aus der Eilentscheidung wurde ein der Beschwerde stattgebender Beschluss und auch gleich noch ein Urteil.

Sodann wird hineingedichtet auf Teufel komm raus, egal was das Bundesverfassungsgericht nun tatsächlich gesagt oder gemeint hat - es ist ganz sicher in hundertprozentiger Übereinstimmung mit so wichtigen Personen wie Heribert Prantl oder Wolfgang Janisch, weshalb die es auch nicht für nötig halten, das, was sie dem Bundesverfassungsgericht da alles andichten und unterjubeln, auch als ihre persönliche Meinung zu kennzeichnen.


nothelfer



Was tatsächlich geschehen ist, ist folgendes: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Eilentscheidung getroffen. Sehen Sie es mir bitte nach, aber ich muss Sie heute wieder einmal in die etwas trockenere Materie der Juristerei entführen.

Hier gibt es zwei Verfahren: Ein Hauptsacheverfahren, mit dem die Beschwerdeführer eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Frage herbeiführen wollen, ob durch das Platzvergabeverfahren des Oberlandesgerichts München das Verfassungrecht verletzt wurde “und insbesondere, ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen.” [4]

Das ist eine schwierige Frage, die auf die Schnelle nicht beantwortet werden kann, zumal die Unabhängigkeit der Gerichte verfassungsmäßigen Schutz genießt und “in einer Situation wie der vorliegenden, in der von vornherein kein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Zugang zur Gerichtsverhandlung, sondern nur die mögliche Verletzung einer Chance auf gleichberechtigte Teilhabe in Frage steht, die Nachteile sich aber aus den Folgen einer möglichen Verletzung der Chancengleichheit ergeben.”

Weil das Hauptsacheverfahren mehrere Monate dauern wird, kann es durchaus sein, dass der Prozess, um den es geht, größtenteils, wenn nicht sogar ganz vorüber ist. Selbst wenn die Beschwerdeführer dann Recht bekämen, hätten sie nichts mehr davon, denn man kann den Prozess ja deswegen nicht von vorne beginnen lassen.

Aus diesem Grund haben die Beschwerdeführer noch einen zweiten Antrag eingereicht, nämlich einen Eilantrag. Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Und über den - und nicht etwa schon über den Hauptsacheantrag - hat das Bundesverfassungsgericht letzten Freitag entschieden. In diesem Eilverfahren hat das Bundesverfassungsgericht nun mehreres festgestellt:

1. Die Anträge sind nicht von vornherein unzulässig oder unbegründet. Wären sie es, dann wäre das Verfahren auch schon beendet gewesen.

2. Die aufgeworfenen Fragen sind von einer solchen Schwierigkeit (siehe oben), dass sie im Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden können.

3. Aus diesen beiden Gründen “kann die Eilentscheidung nur auf eine Folgenabwägung gestützt werden.”

So etwas ist sogar bei lala/sks angeklungen, jedoch, wohl infolge vollkommener Unkenntnis der Materie, ohne nähere Erläuterung.

Was hier passiert, ist dass das Gericht eine Abwägung vornehmen muss. Denn welche Entscheidung es auch fällt, diese Entscheidung greift der Hauptsacheentscheidung vor, indem sie Tatsachen schafft, die nicht mehr rückgängig zu machen sind: Spricht es den Beschwerdeführern die Einrichtung von Sonderplätzen zu, dann werden diese wahrgenommen, auch wenn in der Hauptsacheentscheidung festgestellt wird, dass das angegriffene Akkreditierungsverfahren des Oberlandesgerichts München korrekt war. Die Belegung dieser Plätze kann dann aber nicht mehr zurückgegeben werden. Umgekehrt verhält es sich genauso: Lehnt das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag ab, dann bleiben die zu kurz gekommenen Journalisten draußen und können auch nachträglich nicht mehr an den vergangenen Prozesstagen teilnehmen, wenn sie in der Hauptsacheentscheidung Recht bekämen.

Das ist juristisch ein ziemliches Dilemma. Denn was eine Eilentscheidung überhaupt nicht darf, das ist, der Hauptsacheentscheidung vorzugreifen. Und doch ist es genau das, was sie manchmal tun muss. Deshalb muss die  so genannte Folgenabwägung getroffen werden, bei der das Gericht die jeweiligen Nachteile gegeneinander abwägt. Das hat das Bundesverfassungsgericht hier gemacht und befunden, dass die Nachteile, die durch eine - mögliche - Verletzung von Rechten Ausgeschlossener überwiegen würde:

Denn in diesem Falle würden zwar den ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten Sitzplätze in der Verhandlung eingeräumt, auf die sie nach der bisherigen Sitzplatzvergabe keinen Anspruch mehr gehabt hätten. Eine etwaige Ungleichbehandlung sonstiger Medien, denen ein bereits zugeteilter Sitzplatz genommen oder bei Bildung eines Zusatzkontingents kein Sitzplatz zugeteilt wird, wöge jedoch vor dem Hintergrund des besonderen Interesses dieser Medien weniger schwer.

Nur deshalb, “als vorläufige Anordnung zur Abwendung oder Milderung von drohenden Nachteilen”, und nicht, um irgend welche wirren süddeutschen Journalisten-Fantastereien zu befriedigen, gab das Bundesverfassungsgericht dem Oberlandesgericht München nun auf,

nach einem von ihm im Rahmen seiner Prozessleitungsbefugnis festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben. Möglich wäre ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, in dem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden. Es bleibt dem Vorsitzenden aber auch unbenommen, anstelle dessen die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten.

Das Oberlandesgericht München entschied sich - im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit - unter den dargebotenen Varianten für letztere, also für die “Durchführung eines neuen Akkreditierungsverfahrens”. [5]

Das geht aber nicht mehr bis übermorgen. Sondern das benötigt etwas mehr Zeit. Zeit, die benötigt wird, um die Pressevertreter rechtzeitig über das Verfahren zu informieren und ihnen Gelegenheit zu geben, sich rechtzeitig und allen Anforderungen entsprechend zu bewerben. Nicht dass schon wieder jemand auf der Strecke bleibt, nur weil er die Benachrichtigung zu spät bekommen (oder gelesen) hat.

Die “fast drei Wochen Auszeit, Denkzeit, Vorbereitungs- und Besinnungszeit” von denen Prantl in diesem Zusammenhang fabuliert, könnten er und collega Janisch vielleicht für sich nutzen, um sich einmal wieder mit einer seit Langem Verflossenen zu treffen: Der Juristerei.



Update 16.04.2013 08:30 Uhr:

Mittlerweile setzt das Duo Ramelsberger/Janisch der süddeutschen Dummdreistigkeit die Krone auf [6]

Man hätte einfach drei Stühle mehr auf die Pressetribüne stellen können. Und den türkischen Journalisten sagen, sie sollten sich einigen, wer sie einnimmt. Das wäre die einfache Lösung gewesen. Man hätte auch allen türkischen Medien eine Frist bis Dienstag setzen können, um sich für diese drei Plätze zu bewerben. Auch das wäre korrekt gewesen.
Aber niemand, auch nicht die mit der Prozessorganisation beim Oberlandesgericht München betreuten Mitarbeiter, konnten sich vorstellen, auf welche Lösung der Vorsitzende Richter Manfred Götzl dann verfiel

Niemand - außer denen, die wenigstens den Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Freitag gelesen haben, der eben diese Lösung beinhaltete.

Liebe SZler: Wenn Sie schon von der Juristerei so überhaupt keine Ahnung haben, dann versuchen Sie es doch wenigstens mit Abschreiben. Und zwar nicht nur von der BILD, auch wenn Sie die als einzige Quelle zu verstehen scheinen, sondern auch mal vom Bundesverfassungsgericht. Nur abschreiben. Mehr nicht, das geht sogar mit copy & paste:

Es bleibt dem Vorsitzenden aber auch unbenommen, anstelle dessen die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten.[4]

Und auch noch ein Wort zu der so entsetzlichen und unerträglichen Verzögerung, die ebenfalls nur diejenigen wirklich verstören kann, die in ihrem Leben noch kein Gerichtsverfahren geführt und auch noch von keinem aus der Presse erfahren haben: Gerade im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde wurde vielfach, auch von der SZ, an das Verfahren gegen Jörg Kachelmann erinnert. Doch hat die selektive Erinnerung an den Kachelmann-Prozess anscheinend schon vergessen, dass dieser Prozess am ersten Tag nur wenige Minuten gedauert hat und dann erst einmal für eine Woche ausgesetzt wurde: Nach einem Befangenheitsantrag des Angeklagten.[7] So etwas kommt vor und damit muss man rechnen. Aber das blenden unsere Boulevard-Schreiberlinge natürlich lieber aus, denn ihnen geht es offenbar allein darum, Stimmung zu machen statt Informationen zu liefern.





Jaspis





[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/entscheidung-des-bundesverfassungsgerichts-auslandspresse-bekommt-plaetze-im-nsu-prozess-zugesprochen-1.1648041
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsgericht-zur-platzvergabe-beim-nsu-prozess-nothelfer-gegen-die-richterliche-sturheit-1.1648090
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-verschoben-erloesung-und-fiasko-zugleich-1.1649424
[4] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg13-024.html
siehe auch: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20130412_1bvr099013.html
[5] http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/presse/archiv/2013/03921/index.php
[6] http://www.sueddeutsche.de/politik/prozess-gegen-nsu-terrorzelle-muenchner-gericht-setzt-alles-auf-anfang-1.1649729
[7] http://www.welt.de/vermischtes/article9428662/Kachelmann-Prozess-nach-wenigen-Minuten-vertagt.html

Geschrieben in DeSZinformation, Demokratieversztändnis, Es stand -nicht- in der SZ, Prantl-ismus, QualitätZSjournalismus, VorBILD | 0 Kommentare

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Übersetzung von Fabian Künzel