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“Eine Art Borderline-Demokrat”

6. März 2013 von Jaspis

Gestern ist Hugo Chávez seinem Krebsleiden erlegen. Ein Schicksal, das man keinem wünschen möchte. Viele trauern um ihn, viele ihm nach - und andere halten jedenfalls das Ende seiner Regierung eher für eine Chance für das von ihm beherrschte Venezuela.

Man muss nicht lange raten, zu welcher Gruppe die SZ-Redaktion gehört:


traenen



Anlässlich des Todes ihres Idols lässt sie sogar den Himmel weinen. Entsprechend schwülstig ist auch Peter Burkhards Gloria[1] auf den “Commandante”, der irgend ein womöglich noch nicht ganz wacher Redakteur die Bezeichnung “Populist” in den Titel miteingefügt hatte - die später flugs wieder entfernt wurde.



ohne-populist



Zu viel der Wahrheit wäre das gewesen über einem Artikel, in dem Burghardt seinem Ruf als Despotenverehrer [2] alle Ehre macht.

Er ließ die Uhr vorstellen, damit Kinder mehr Sonne sehen - und gab dem Fußvolk Geld und Stimme. Seine Anhänger verehrten ihn glühend, seine Feinde versuchten, ihn zu stürzen.

Was für ein unendlich edler Herrscher und was für ruchlose Unmenschen, die so eine Lichtgestalt stürzen wollten. Wie kann man nur.

Noch im Krankenzustand opferte sich der Held auf, so Burghardt weiter.

Vor seinem Tod wollte es Venezuelas Präsident noch einmal allen zeigen. Seinen Freunden. Seinen Feinden. Sich selbst. Im Wahlkampf erklärte er die Krankheit für besiegt und stürzte sich ins Getümmel. Kein Landsmann konnte es mit ihm aufnehmen. “Dies ist eine Schlacht der Wahrheit gegen die Lüge, des Volkes gegen die Bourgeoisie, des Sozialismus gegen den Kapitalismus”, rief er. Jetzt ist er tot.

Er sprach von Volk, Vaterland, Armee, Einheit. “Ich gehe von Wunder zu Wunder.” Nun ist das Wunder vorbei. Es endet eine Ära, die Lateinamerika geprägt hat.

Wer bis jetzt die Fassung gewahrt hat, ergießt sich nun endgültig in seine Taschentücher.

Es folgt ein Rückblick auf die politische Vita Chávez’, beginnend mit seinem Putschversuch 1992, über Lobpreisungen wie

Das Land im Norden Südamerikas besitzt die reichsten Ölvorkommen des Westens - und Caracas riesige Slums. Solche Widersprüche nützte der Instinktmensch mit Fortüne. Er gab dem Fußvolk Geld und Stimme.
Sein Chavismus wurde zur Religion. Seine Feinde verachteten ihn als populistischen Militaristen und autoritäre Nervensäge. Seine Freunde verehrten ihn in wie Jesus und Bolívar, sein Gassenhauer war der “Sozialismus des 21. Jahrhunderts”.

oder

Er stellte die Uhr eine halbe Stunde nach vorne, damit Schulkinder morgens früher die Sonne sehen.

(Das ist wichtig. Das kann man gar nicht oft genug wiederholen.)

Seine Genossen nannten ihn Comandante, wie Castro. [Na, wenn das kein Qualitätssiegel ist! Anm. Jaspis] Er freundete sich mit Parias wie Irans Mahmud Ahmadinedschad oder Syriens Baschar al-Assad an.

Und hier hört man Peter Burghardt förmlich hinter vorgehaltener Hand kichern - wie ein kleines Mädchen, das  wagenmutig ein unanständiges Wort gesagt hat. Als ob er nicht zu genau wüsste, dass nicht irgend eine böse Klassengesellschaft die netten Herren ob ihrer Herkunft ausgestoßen hat, sondern sie sich höchst selbst dahin bugsiert haben, wo sie jetzt sind.

Was man jedoch vergeblich sucht in Peter Burkhardts Hymne an Hugo Chávez, ist auch nur der leiseste Anflug der Realität in diesem “Sozialismus des 21. Jahrhunderts”. Das mag seinen Grund darin haben, dass man über Tote nur Gutes reden soll. Und da wäre nicht mehr viel zu sagen, würde man auch aus der Realität des Chávez-Regimes berichten. Andere haben das getan, schon zu Chávez’ Lebzeiten. Amnesty International zum Beispiel, oder Human Rights Watch[3]. Beide prangern - vergeblich - schon seit Jahren massive Menschenrechtsverletzungen des Chávez-Regimes an:



hrw[4]


Die Machtkonzentration bei Präsident Hugo Chávez hat sich verheerend auf die Menschenrechtslage in Venezuela ausgewirkt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.
Der 133-seitige Bericht „Tightening the Grip: Concentration and Abuse of Power in Chávez’s Venezuela“ dokumentiert, wie die Machtkonzentration bei der Exekutive und die Aushöhlung des Menschenrechtsschutzes der Regierung von Hugo Chávez erlauben, Kritiker und als Gegner wahrgenommene Personen einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen und zu verfolgen. Dies belegt ein breites Spektrum von Fällen in Justiz, Medien und Zivilgesellschaft.
„Präsident Chávez und seine Gefolgsleute haben über die Jahre ein System aufgebaut, das der Regierung freie Hand lässt, um mit Drohungen und Sanktionen gegen Venezolaner vorzugehen, die mit der politischen Agenda der Regierung in Konflikt geraten“, so José Miguel Vivanco, Leiter der Abteilung Lateinamerika von Human Rights Watch. [Hervorhebung: Jaspis]

Da kann Peter Burghardt schon aus dem fernen Buenos Aires von Venezuelas jubelnden Massen berichten. Alle anderen werden schließlich mundtot gemacht. Die Justiz ist unter der Kontrolle der Chávez-Verbündeten

Um den Obersten Gerichtshof, der bereits seit 2004 zunehmend mit politischen Verbündeten besetzt wurde, endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen, griffen Chávez und seine Anhänger in der Nationalversammlung zu drastischen Maßnahmen. Als Chávez’ Mehrheit im Kongress nach den Parlamentswahlen im Jahr 2010 zu bröckeln begann, ließ dieser noch vor dem Amtsantritt der neugewählten oppositionellen Abgeordneten das Gesetz über die Ernennung von Richtern ändern und den Obersten Gerichtshof neu umbilden.
Der Oberste Gerichtshof traf in den vergangenen Jahren zunehmend bedenkliche Entscheidungen. So sprachen sich einige Richter offen gegen das Prinzip der Gewaltenteilung aus und erklärten öffentlich die Absicht, Chávez’ politische Agenda voranzubringen. Diese politischen Absichten spiegelten sich auch in den Urteilen des Gerichts wider, in denen wiederholt Verletzungen internationaler Menschenrechtsstandards durch die Regierung für zulässig erklärt wurden. [Hervorhebungen: Jaspis]

Nicht, dass Burghardt da etwas zu befürchten hätte. Seine Form der Berichterstattung hätte ihren gepolsterten Platz. Andere eher weniger, wie Amnesty International zu berichten weiß:[5]

Journalisten wurden drangsaliert, eingeschüchtert und bedroht. Mindestens 34 Radiosendern wurde wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften für Unternehmen der Telekommunikation die Sendelizenz entzogen. Im August merkte der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission jedoch an, dass die öffentliche Erklärung der Behörden, diese Sender hätten damit “gespielt”, “Venezuela zu destabilisieren”, darauf hinweise, dass deren redaktionelle Grundhaltung die wahre Ursache für die Schließung gewesen sein könnte.
Es wurde befürchtet, dass ein Gesetzentwurf, der die Verbreitung von “falschen” und “den Interessen des Staates zuwiderlaufenden” Informationen durch Medienunternehmen kriminalisierte, die Informations- und Meinungsfreiheit untergraben könnte. Bis Ende 2009 hatte die Nationalversammlung noch nicht über den Gesetzentwurf entschieden.
Im August griffen bewaffnete Männer in den Büros des Fernsehsenders Globovisión Mitarbeiter an. Es wurden Tränengasgranaten geworfen, und einer der Wachleute wurde geschlagen. Globovisión galt weithin als regierungskritisch. Im Januar wies der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte die Behörden durch einen Beschluss an, Berichten über Einschüchterungsversuche sowie physische und verbale Attacken gegen die Mitarbeiter von Globovisión nachzugehen. Bis Jahresende waren noch keine Ermittlungen zur Aufklärung der Vorfälle eingeleitet worden.

Doch das Einzige, was Peter Burghardt dazu einfällt, ist

Jahrelang wurde jeden Sonntag seine Fernsehshow “Aló Presidente” ausgestrahlt, stundenlang. Chávez sang, tanzte, rezitierte.

Wie süß. Und wie praktisch, dass ihn dabei keiner gestört hat, sei es auch nur mit Kritik vom anderen Sender, nicht wahr?

Sein monarchischer Stil missfiel auch gemäßigten Kritikern. Aber der Caudillo blieb eine Art Borderline-Demokrat.

Ja, das kann einem schon “missfallen”, wenn man für seine Meinungsäußerung “schikaniert, bedroht, eingeschüchtert und mit fadenscheinigen Begründungen unter Anklage gestellt” (AI) wird. Doch die Krönung ist die Bezeichnung “eine Art Borderline-Demokrat”.

Nur Peter Burghardt weiß, was genau er mit dieser Wortschöpfung meint. Bei all seiner Verehrung für sein Idol wird er wohl eher nicht an die “Borderline-Persönlichkeitsstörung” gedacht haben. Vielleicht eher an den laut Wikipedia von Redakteuren der Süddeutschen Zeitung (!) geprägten “Borderline-Journalismus”, bei dem “der Autor Realität und Fiktion oder veröffentlicht alte Texte unter neuem Datum” vermischt und so versucht, “den – in der Regel darüber im Unklaren gelassenen – Leser zu manipulieren.”[6]

Doch tatsächlich will Burghardt wohl andeuten, dass Chávez’ Vorstellungen von Demokratie etwas “grenzwertig” waren. Und damit täuscht Burghardt schon mit der Verwendung der Bezeichnung “Demokrat”, ob nun mit oder ohne Zusatz, über eines hinweg: Hugo Chávez war sicher vieles. Nur kein Demokrat.

Den vollständigen Nachruf lesen Sie in der morgigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Nein, danke, Herr Burghardt. Mir reicht es jetzt schon.





Jaspis





[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/zum-tod-von-hugo-chvez-revolutionaer-populist-und-borderline-demokrat-1.1573703
[2] http://www.suedwatch.de/blog/?p=4479
[3] http://www.hrw.org/zh-hans/node/109210
[4] hrw http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/venezuela0712webwcover.pdf
[5] http://www.amnesty.de/jahresbericht/2010/venezuela
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Borderline-Journalismus

Geschrieben in Demokratieversztändnis, Halbwahrheiten, Meinungsvorgabe, QualitätZSjournalismus | 2 Kommentare

2 Reaktionen zu ““Eine Art Borderline-Demokrat””

  1. am 10 Mär 2013 um 19:591Travis

    “Er sprach von Volk, Vaterland, Armee, Einheit.”

    Zum Glück war er nicht für den Echo nominiert…

    Alles so romantisch um Chávez. Wie würden eigentlich Augstein, Prantl & Co. reagieren, wenn einige Personen sie mal so “besuchen” würden? Aber solange diese dann die Uhr vorstellen lassen (um das noch einmal zu erwähnen)…

    Siehe auch:
    http://www.freitag.de/autoren/lutz-herden/revolutionaer-aus-berufung

  2. am 10 Mär 2013 um 20:592Jaspis

    Lieber Travis,

    vielen Dank für den Link. Wer wäre wohl besser geeignet für eine Hommage an den Despoten Helden, als der damalige “Aktuelle Kamera”-Genosse Lutz Herden?
    Hach, ich bin immer noch ganz gerührt…

    Herzliche Grüße
    Jaspis

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